Youghal

Womit fange ich an?

Der Morgen war zuerst keiner Rede wert. Mein subjektiver Morgen glich eher dem eines Alltags: Heraus aus dem Quark und wohin? Das alltägliche Getriebe macht es einem leicht, aber der Urlaub erfordert Gestaltung.

Was für ein Stress, was für ein scheiß „Heraustreten aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“, aber ist diese Unmündigkeit wirklich „selbstverschuldet“? Kann mensch etwas dafür, dass er arbeiten muß?

Oder war es der Sturm, den ich unbewusst spürte, der den Tag ja auch noch ziemlich stark befeuchten würde, so viel Wasser, wie ich es schon lange nicht mehr gesehen hatte?

(Antizipation, erhöht die Spannung)

 

Das erste war wohl, dass mein Zeltnachtbar, mich verabschiedete, als wenn wir alte Kumpels wären. Nein, keine Umarmung oder so. Er lief nur auf mich zu, als ich, mit dem bepackten Fahrrad an der Hand, ihm mit der anderen zuwinkte.

 

Wir hatten noch keine Worte gewechselt und da das Auto neben seinem Zelt ein französisches Kennzeichen, er selber aber mich wie ein Nativespeaker auf Englisch fragte, ob ich gehen würde, klärte er mein Erstaunen über diese Diskongruenz damit auf, das er als Ire gesandt wäre „to rule France“, aber das würde nicht einmal mit seiner Frau klappen, die Französin sei. Meine Frage, ob Jesus ihn gesandt hätte, bejahte er schmunzelnd in seinen Catweazlebart blickend, und sofort kam da neue Weisheit heraus.

Jetzt diese Sache mit den Flüchtlingen und so, das ist richtig. Wir müssen uns vermischen, das ist die einzige Lösung. Als ich dann erzählte, dass im Gegensatz zu den gezüchteten Rassehunde, die Straßenköter oft die intelligenteren und langlebigeren sein, bekam sein Gesicht noch mehr Begeisterung, aber erst dann kam er auf das Wetter. Der starke Wind heute morgen, das sei schönes Wetter. Zumindestens hatten sich da zwei Bekloppte gefunden.

 

Dann ging es runter nach Cork, wirklich 100 Höhenmeter, aber mit einem satten Anstieg zwischendurch von 15%. Da war schon deutlich der Unterschied zum unbeladenen Fahrrad zu spüren; ich hatten den Weg ja schon zweimal mit dem „nackten“ Rad gemacht.

 

Obgleich ich schon ein paar Scheiben Toast mit Cheddar und einen halben Liter schwarzen Tee, zwei Äpfel drin hatte, dachte ich es sei gut, mich mit einem „Full Irish Breakfast“ zu versehen, um die entsprechenden Kalorien für den Tag zu haben.

„Breakfast is gone!“ Sagte die Frau hinter der Theke einer Bäckerei, die ähnliche Frühstücksfunktionen wie bei uns haben; allerdings sind sie personell viel stärker besetzt.

Ich ließ das Fahrrad also weiter, gegen den immensen Südwind die gefällige Straße nach Cork herunter rollen, sang zu einer Melodie von Woody Guthrie „Breakfast has gone, Breakfast has gone…..“ . Die Iren finden das übrigens oft lustig, wenn einer auf dem Fahrrad vor sich hin trällert. Cork aber ist eine Stadt von Welt und ich ließ es schnell bleiben. Kam zügig hindurch, an bekannten Stellen, z.B. dem Pub „Charlies Bar“ von gestern vorbei; dann ging’s auf der Südseite vom Fluss bzw Hafen Richtung Osten und später bis zu einer Fähre nach Süden. Der Weg verlief als großzügiger Radweg teilweise auf einer Eisenbahntrasse als „Greenway“.

Fahrradmobilität in Cork wird gefördert, scheint mir aber wenig genutzt. Vielleicht liegt es an den vielen steilen Hängen an der Peripherie.

 

Die Rechte der „Travelers“ sind Menschenrechte. Finbar Furey ist einer von ihnen.

 

Nördliche Flussseite

Charlies Bar

Kurz davor, während ich eine Schautafel mit Abbildungen der vorkommenden Vögel anschaute, wurde ich von einem Herren angesprochen, ob ich „lost“ sei.

Er erklärte mir dann auch direkt welcher von den Stecknadel Punkten da unten im Schlick ein „Oystercatcher“ sein könnte als ich ihn das fragte.

Dann wollte er von mit wissen, ob ich Deutscher sei und erzählte von einigen Fahrradtouren an deutschen Flüssen, schwärmte von seiner Rohloff Nabe und seinem SON Nabendynamo. Das habe ich schon öfter hier mitbekommen: Deutsches Equipment ist gerade bei Tourenrädern aus aller Welt ziemlich beliebt.

Wo ich hin will? Nach „An Rinn“ . Er sprach es richtig aus, erklärt mir, das „Rinn“ so etwas wie der Zacken eines Sterns ist. „An Rinn“ Ob Irisch schwierig zu erlernen sei? Nicht schwieriger als Englisch. Die Aussprache? Ja schon….das sei ein wenig so wie Russisch, gerolltes R und so

Auf der Fähre

 

Setzte über mit der Fähre, die so groß wie eine Rheinfähre war. Der Fluss aber war bewegter und durch die Ritzen der Rampe schoss das Wasser.

 

Warum will ich nach „An Rinn“? Liam Clancy liegt da auf dem Friedhof. Ich dachte das wäre ein gutes Ziel und in seinem Wikipedia Eintrag ist der Ort Irisch benannt. „Ringville“ ist ja eigentlichlich auch irreführend, nach der Erklärung, die ich heute erhalten hatte. Gemeint ist ein Kap oder eine Halbinsel, mit dieser Bezeichnung.

 

Liam Clancy war ein Vorbild für Bob Dylan, was das Balladensingen anbelangte…..ich finde diese Clancy Brother Stories interessant, wie sie das Folk Revival mit angefacht hatten; die Jungs in ihren dicken Wollpullis, das muß irre anstrengend im Rampenlicht der 60ziger Jahre gewesen sein.

 

Und das Singen von Liam Clancy ist besonders, wirklich charismatisch…..aber bitte keinen Zauber machen (Anmerkung des Autors an den Autor)

 

In Middleton machte ich eine längere Fish’n Chips Pause und es ging bestimmt 30 km weit auf einem „Greenway“. Schon beim Losfahren hatte ich zum ersten Mal auf der Reise die Regenjacke angezogen.

Wunderbar horizontaler Regen, dachte ich. Natürlich ist das kein horizontaler Regen, bei dem sich die Wolken quasi direkt an Pflanzen niederschlagen, aber kleine, prickelnde Tropfen wurden vom Wind an die Beine und ans Gesicht getrieben. Sprühkühlung, nennen es manche. Außerdem ging es flach und schnurgerade und im Schutz der begleitenden Bäume auf einer ehemaligen Eisenbahnstrecke.

Was für ein Glück ich hab, dachte ich, das läßt sich aushalten. Po und Oberkörper bleiben trocken, außerdem kein Auto-Verkehr, der einen nass spritzt und sich bei dem nassen Wetter über diese zusätzlichen Hindernisse außer dem Regen noch aufregt.

Auch der Asphalt war super, hatte keine Spurrillen aus denen das Vorderrad die Füße nass schaufelt.

Das kam alles später. Und dann kam Youghal. Aber nicht einfach so. Runter ging’s wieder mit 15% Gefälle und diesmal im strömenden Regen. Das konnte ich auf dem engen Zubringer runter in die Stadt mit dem entsprechenden Auto-Verkehr und den Felgenbremsen nicht . Schieben brauchte ich auch nicht. Nur gehend bremsen. Unten war ich dann entsprechend kalt und am bibbern. So dann noch ein wenig durch die Stadt, mit quietschenden Füßen in nassen Sandalen…..und irgendwann hatte ein super B&B sich meiner erbarmt.

 

 

 

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