ES, es, eS und Es

Bildschirmfoto vom 2014-08-20 23:10:06

Schon altbacken, schon fast eine Woche her die Tour, nicht mehr frisch! Die Häufungen lohnen sich, gehören hier hin, immer wieder schreiben, dass es nicht unmittelbar, so weit davon entfernt ist ein Bericht zu sein. Ein Bericht kann nur frisch sein. Stimmt nicht!
Meine Berichte sollen frisch sein.
Nehme das Notizbuch und erfinde mir die Fahrradreise nach.

Samstag: Sitze im IC von Erfurt nach Frankfurt Flughafen. Habe mir die Wochenzeitung „Die Zeit“ gekauft und lese eine Überschrift: „Mein wahres Gesicht. Heute ist das Echte, Authentische gefragt. Doch was ist das? Und wie findet man es?“ unter der Rubrik „Wissen“.

Da ist von „Herstellung von Authentizität“ die Rede oder „…den Kern des Ichgefühls macht etwas anderes aus: unsere Identität oder besser gesagt das Bild, welches ein Mensch von sich selber erschafft.“ Oder „Denn auch in der der Psychologie, Hirnforschung oder Soziologie ist derzeit die Ansicht populär, dass es so etwas wie einen „echten“, unwandelbaren Kern der eigenen Person gar nicht gibt.“

Der gesamt Artikel führt einen durch die wissenschaftlichen Zweifel, dass das ICH eigentlich nur eine Illusion ist.
Schön. Wissen die Buddhisten schon lange.
Und zum Schluss erklärt er mir die Allegorie „morgens beim Rasieren noch in den Spiegel blicken zu können“.

Ein hochrangiger Botschaftsangehöriger hatte sich geweigert, den Bruch seiner Karriere in Kauf nehmend, keine Huren für eine eingeladene Majestät zu organisieren. Sinngemäß: „Ich wollte keinem Zuhälter morgens beim Rasieren ins Gesicht blicken.“

Also? „Ich“ oder „Selbst“ oder „Authentizität“ ist immer dann notwendig oder kann dann auftreten, wenn Verantwortung vor sich selbst oder anderen ins Spiel kommt.
Oder werden Willenserklärungen auch von Wesen abgegeben, die nicht wirklich sie selbst sind?

Ja. Man kann Verträge mit juristischen Personen schließen. Der eine Wille kommt von einem „Selbst“ und der andere?

Diese juristischen, sind oft fiese Personen, natürlich nicht diejenigen, die sie vertreten; das sind nur Menschen mit viel Verantwortung.

Klar, in einer solchen Welt fragt man sich nach dem Authentischen und Echten, versucht es „von einer Werbeagentur herstellen zu lassen“. Man selber hat zu viel Verantwortung, um das mit dem Authentischen klar zu kriegen. Wenn das Selbst einen Illusion ist, und das ich und so, dann macht es, Macht es (man) einfach.
In dem Journalisten hatte etwas geschrieben und das nach aussen gebracht. Es.

ES lass solche Artikel im Zug. ES hatte schließlich die Illusion vom Ich abgelegt. ES war wunderbar.

Donnerstags war ES mit dem Fahrrad von Bonn fast bis nach Fulda gefahren. Bis nach Bimbach, 10 km vor Fulda genau, fast genau. 10:15 h auf dem Rad 218 km. ES war müde und ging im „Gasthof zur Linde“ schlafen.

Vorher herrlich am Vogelsberg von Grünstadt aus über Ulrichstein am Vogelsberg vorbeigeschrappt. Dort oben ging die Sonne rot unter. „Abendrot schlecht Wetter droht“ sagte es in Es.
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Freitags, am nächsten Morgen fehlte etwas. ES trank ein alkoholfreies Weizenbier vor dem Hotel „Karpfen“ wo Goethe schon kein alkoholfreies Bier getrunken hatte. Es ging es besser. Radelte raus nach Tann. Vorher begann es zu regnen. In Tann gab es ein „Schäufle fränkischer Art mit Knödeln und Rotkohl“. ES fuhr bergan nach Theobalshof und weiter nach Osten, nach Thüringen. Der Regen hatte aufgehört.
Vorbei ging es an der LPG Rhönperle, was noch auf einem Schild stand.
Vorher hatte ES einen Schäfer inmitten seiner Herde mit weitem Mantel und Hut gesehen. Imposant, wie ein Denkmal, regunglos im Regendunst.
ES kam nach Meiningen, war beeindruckt von den schönen, alten, gut restaurierten Bauten.
ES trank Kaffe in einem in einen Supermarkt integrierten Backshop.
In Zella Mehlis öffnete der Himmel sein Pforten. Es regnete heftig. ES wurde klatschnaß, vergrub sich unter der Plane die ES eigentlich zu Fahrradtransport im Zug mitgeommen hatte. In Oberhof, oben am Rennsteig -Es fiel ein , dass Es in 2 Tagen Rheinsteig und Rennsteig miteinander verbunden hatte- wollte ES nicht mehr weiter, ging in eine Pension, schlief ca um 20 Uhr ein.

Samstags um 7 Uhr in der Früh war noch Zeit bis zum Frühstück und Es begann zu schreiben:

Oberhof, ein Wintersportort oben im Thüringer Wald.
„Saubere Schuhe?“ knurrte der Pentsionschef gestern, während seine Frau mich die Treppe hoch geleitete.
„Der ist Fahrrad gefahren und nicht gewandert!“ sagt die Gattin.
„Gerade da spritzt alles schmutzig!“
„Sie haben doch Schutzbleche, oder?“ frag die Pensions“vorsteherin“.
„Soll ich die Schuhe ausziehen?“
„Ach, da ist doch nichts dran, um Himmelswillen. Lassen sie die Schuhe an.“

Sind noch ca. 50 km bis nach Erfurt, 16 Uhr 25 geht der Zug, jetzt sind 7 Uhr; eigentlich müßte ich das schaffen.
Wenn es so regnet wie gestern?
Normalerweise währe ich gestern weiter gefahren, Wintersportorte sind nicht so mein Ding, aber es ging nicht mehr, die Radschuhe sind immer noch feucht. Einen dermaßen intensiven Regen habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Bergrunter wäre ich zu kalt geworden.
Es geht ein Radweg hierhoch, asphaltiert, der eine ähnliche Steigung wie die Fußwege im Siebengebirge, zum Petersberg oder zum Oelberg hoch hat; ein gutes Stück hatte ich die Bauplane, die ich dabei habe um das Fahrrad ICE mäßig zu verpacken, über den Kopf gelegt, fuhr wie ein Stück Plane, das von einem starken Wind erfasst wird den Berg rauf, nur viel langsamer, versteht sich. War aber keiner da, der das sehen konnte.
….
Nach diesen Sätzen mußte ich zum Früstück.
„Sie sind aber früh!“
„Tut mir leid!“ lag mir auf den Lippen, aber die „Pensionärin“ hatte es wohl doch eher lobend gemeint.
Gerade in das erste Brötchen gebissen, setzt sich mein Tischnachbar hin:
„Auf Urlaub?“
„Ja, kann man so sagen“, antworte ich.
Der Herr ist mit drei Pferden nach Spanien unterwegs, hat Rheuma, Frührente, vor kurzem noch 150 kg gewogen und eine Finca in Südspanien.
„Radfahren ist einfacher!“ sagt er mir als ich ein wenig von mir erzählt habe.
Ich sage ihm nicht, dass meine Fahrrad keine 150 kg aushalten braucht.
Er erzählt wie ein Wasserfall, so ist das mit den einsamen Männern der Landstrasse, frage mich, wie oft ich den Leuten mit meinen Storys auf den Wecker falle….auf den Reisen quatsche ich aber realtiv wenig.

Schön war es gestern von Fulda hier rüber; obgleich sich die hessische und die thüringische Rhön dazwischen gestellt hatten. Von Thann bis kurz vor Zella-Mehlis hatte ich keinen Regen, ist eine schöne Radgegend, schöne, höhere Wellen, immer wieder rauf und runter. Leider hatte ich immer mal wieder ein bischen viel Autoverkehr, Schilder in Hessen und in Thüringen gesehen, mit denen sich Bürger gegen eine geplante Autotrasse wehren, die genau quer durch das Biosphärenreservart nach Meiningen gehen soll.

Man hat ja immer und überall Berater; einer meinte zu Hause ich solle doch ein längeres Stück mit dem Zug fahren, damit ich mich besser der Gegend hier widmen könne; zu Hause würde ich ja schon alles kennen. Ein anderer meinte das Ziel sei zu weit gesteckt, damit würde ich zu direkte Wege und keine „schönen“ fahren. Auf wen soll ich nur hören?
Jetzt sitze ich hier im Regen, der aber über Nacht aufgehört hat, und habe den Schlamassel.

ES fuhr erst um 9:15 los. 10:30 Arnstadt; Kaffee 12:20 Erfurt: ne Bratwurst mit Pommes.
„Willy Brandt ans Fenster“ sieht ES von der Pommesbude aus auf der anderen Seite des Bahnhofplatzes der „Willy-Brandt-Platz“ heißt. ES läßt alles vollkommen unbewertet, das zeichnet ES aus, ganz besonders sogar.

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ES schiebt das Rad durch die Stadt, staunt, aber wertfrei. ES sucht sich eine Stelle zum Umziehen, zurück gelegen muß die sein, Fahrradklamotten aus, Hemd und Hose an.
Beim Umziehen merkt ES, das ES vor dem ehemaligen Stasigefängnis steht.
ES sucht sich ein Cafe am Rande des Domplatzes, der ES auch ziemlich imponiert, wobei sich ES aber immer wieder darauf besinnt, die ganz Angelegenheit nicht zu bewerten.
ES notiert:
„Typ spricht die ganze Zeit laut tröstend auf Psychoschine mit seinem Smartphone (Akkulaufzeit?) ‚man könnte ja wechselseitig solidarisch reden‘ Seine Beine haben starken Tremolo, seine Stimme heiser, vom Rauchen scheint`s, er steckt sich eine nach der anderen an.“ ES fällt ein, dass es gerade hier ziemlich dämlich sein kann sich über Leute Notizen zu machen, das Stasigefängnis kam wieder ins Gedächtnis; aber der Typ spricht so laut, dass es Es scheint notiert werden zu müssen.
ES schreibt: Ist Erfurt innendrin schon gentrifiziert?

Jpeg

ES begibt sich zum Bahnhof zurück, schraubt das Fahrrad auseinander, verstaut es in der Plane, fährt mit dem Zug nach Hause.

Jpeg

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