Näher am Tweed, aber noch auf See

2 Tag

War schnell vorbei der zweite Tag. Entgegen dem ersten, an dem ich um 1 Uhr morgens schon auf der Strasse war, fuhr in Bunnik erst um 9 Uhr 30 los, obgleich ich schon um 6 Uhr 30 anfing zu frühstücken.

Ich hatte wenig zu Abend gegessen, so schlafe ich besser und die Frühstückbufets von den Hotels geben ja eine Menge her: Eine Frau, im weissen Kochdress fragte nach meiner Zimmernummer und dann, ob ich Roereitjes haben wolle. Ja. Met Spek. Ja….Es gab sogar Salat und Olivenöl, Berge von Obst usw.

Dann mußte ich ja auch noch schreiben: Ich brauche dafür ziemlich lange…

Was zum erzählen haben! Ist es das? Ist das der Grund für die Aufzeichnungen? Es gibt einen klaren Auftrag von meinem Kunstlehrer und spätere Freund Günther Scholl, der immer wieder mich dazu anhielt etwas von meinen Reisen zu schreiben. Er zitierte öfter mal gerne und ein Zitat war aus einem Buch, das ich ihm empfohlen hatte: Alfred Andersch; Winterspelt. „Du hast die Wüste gesehen, beschreib sie!“ Ich habe das Buch vor einiger Zeit quer gelesen und das Zitat nicht gefunden, ich hoffe ich erzähle hier keinen Quatsch.

Diesen Auftrag, die Wüste zu beschreiben, beim Sehen, also zum Schildern verpflichtet zu sein, ich weiß nicht, ob ich den erfüllen möchte.

Viele sagen mir, dass sie auf meinem Gepäckträger mitfahren möchten, aber der ist gerade auf Deck 5, an dem Fahrrad, das in einer Fähre nach Newcastle festgebunden ist. Es ist 19:10 nach CET, meine Uhr aber ist schon eine Stunde zurück gedreht. Um 10 Uhr britischer Zeit legt die Fähre an. Ich könnte mir den neuen Turner Film unten auf Deck 1 um 22 Uhr angucken.

Rechts neben mir schäumen seitwärts Wellen weg, ich habe einen Fensterplatz…die Kabine allerdings kein Fenster. Woher kommt die Dame vom Guest Service Center links neben mir, vielleicht irgendwo aus den Niederlanden, aber irgendwelche Vorfahren von ihr kommen aus Asien. Ist das wichtig? Die Seeleute unter Deck, der Matrose, der mir geholfen hat mein Fahrrad zu vertäuen, hatte einen slawischen Akzent, was totaler Blödsinn ist, weil Polen ganz anders Englisch sprechen als Russen…

Bei der Beschreiberei schleicht sich schnell Bewertung ein, schräger Kram, Vorurteile, Allgemeinplätze.

Bei meinen Reisen möchte ich eigentlich so etwas wie „Werdung“ beschreiben!

Wendel, will wirklich weiter. Ich möchte ein Roadmovie sein.

Anekdoten? Die von Naviki.org herunter geladene „kürzeste Route“ führt mich mittels des GPS Navigators mitten durch Utrecht. Alle anderen großen Städte hatte das Program von Naviki nicht getroffen; Köln z.B. großartig im Grüngürtel auf Radwegen umfahren. Irgendwann, nach dem ständigen Halten an den Ampeln Utrechts meldete der Edge 800 von Garmin, dass der „Virtual Partner“ jetzt aufhören würde. „Super, dich habe ich sowieso nicht gebraucht!“ Ich hatte zwar gewußt, daß es diesen künstlichen Mitfahrenden in den Tiefen dieses Geräts geben würde, aber durch Nichtbeachtung meldete er sich dann auch noch ab. Ist das ne Anekdote?

Sonst ist halt nichts passiert. Aber das andere ist wichtiger. Was? Die „Werdung“.

Werdung bedeutet mir aufzulösen, dass ich beim Berichten Objekte vor mir habe.

Max Frisch, zitiert in seinen Tagebüchern, das zweite Gebot, so ca 1946, also ziemlich früh, dass wir uns ständig Bilder machen von den Menschen, ausser von denen, die wir lieben: Sie passen nicht ins Bild.

Die Welt lieben hieße also sie zu beschreiben, ohne „sich ein Bild“ zu machen. Das nenne ich Werdung, vielleicht weil „werden“ was mit „sein“ zu tun hat, ist sozusagen eine Option von sein; was man noch nicht ist, kann man werden.

 

Aber vielleicht reicht ja auch das Bild von der Gans.

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