Trantagfahrt durch Jubeldeutschland

Um 15 Uhr bin ich wirklich erst losgefahren. Den Morgen verbrachte ich mit Telefongesprächen; es ging um die Webseite. Die Gebühr konnte nicht eingezogen werden. Nicht weil kein Geld dagewesen wäre, sondern weil die Bank deren Computer die Lastschrift schon vorliegen hatte, damit nicht klar kam, dass drei Buchstaben in ihrer BIC fehlten.

 

Der arbeitsfreie Morgen bestand aus dem Quark und Tran eines schwülen Sommertages und wurde mit dieser Unanehmlichkeit noch matschiger. All die Frische fehlt dann, die ich für den Aufbruch brauche.

So gings weiter:

Nach Troisdorf fuhr ich über Bergheim, mit reiner Ortskenntnis und dann hatte ich vergessen, dass hinter Troisdorf die Wahner Heide, ein militärisches Sperrgebiet ist, beharrte aber weiter darauf einfach mit dem Kompass, ohne auf die Karte zu gucken, zu fahren, so dass ich erst nach zwei Stunden und 4o km in Rösrath war.

Von da war die Fahrt ganz schön: Es wurde grüner und das Fussball-Weltmeister-Spiel Deutschland gegen Frankreich hatte die Strassen vom, hier doch ziemlich dichten, Verkehr sauber gefegt.

Hinter Bensberg bin ich die Sülz hochgefahren, sah noch öfter zwischen Baumspitzen, die Spitzen vom Kölner Dom im schwülen Rheindunst liegen.

Wenn man parallel zum Rhein durch Bergische fährt, kreuzt man zwangsläufig das herabfließende Wasser; nicht brutal ist das, aber schon ein auffälliges Rauf und Runter.

In Wermelskirchen hatte Deutschland 1:0 gegen die „schwulen Froschfresser“ gewonnen, was mir ein eher dunkel jubelnder Mensch am Strassenrand im Vorbeigehen mitteilte.

Trotzdem wurde mir klar welche orgiastische, menschenverbindende Wirkung der Fußball hat: Kinder, von denen ich mutmaße, dass sie einen gewissen Migartionshintergrund haben (ist das jetzt korrekt ausgedrückt?) hatten das schwarz-rot-goldener Banner zwischen sich aufgespannt und jubelten mir zu, als wenn ich gerade auf meinem Rad irgendein Rennen für Deutschland fahren würde.

Für mich ist es ja ziemlich bizarr durch dieses Meer von „Deutschlandfahnen“ zu fahren, das Bergische ist auch arg beflaggt. Aber wenn man sich überlegt, das z.B. Organisationen die sich „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ nennen, wirklich keine rechten, sondern demokratische Tendenzen gerade in der Endzeit der weimarer Republik vertraten, könnte man vielleicht mit den Farben der Lützower Jäger irgendetwas gutes bewirken, obgleich die ja von Napoleons „Froschfressern“ in einem Hinterhalt aufgerieben………?

Ausserdem, wenn man die Autokorsos sieht, die mittlerweile schon wieder polizeiliche Betreuung brauchen: Das Volk will Brot und Spiele….. und Autos! Ist ja kein singulär deutsches Phänomen, aber warum brauch man zum Jubeln mindestens 50 PS und eine Autohupe?

 

Ob der Fussball irgendwann mal diesen durchdringenden, faden Geschmack wie der Radsport bekommt? Alle gedopt? Alle korrupt? Scheint nicht so.

 

Aber wichtig: Gleich gucke ich mir Ausstellung zum ersten Weltkrieg „Menschenschlachthaus“ in Wuppertal an. Anläßlich des „Jubiläum“ 100 Jahre Ausbruch des 1. Weltkriegs. Kommt „Jubeln“ von „Jubiläum“? In den Krieg hat man sich auch hineingejubelt; Fussball deckt das Bedürfnis nach gemeinsamen Jubel ziemlich gut ab, die negativen Begleiterscheinungen sind relativ harmlos; also weiter so Deutschland bitte, mit dem schwarzrotgoldenen Banner der 48ziger Revolutionäre.

 

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